Kurzbeschreibung der Innerstädtischen Pfarrkirche
(Mariä-Himmelfahrt-Kirche) in Budapest

  • 27.10.2016


Die stattliche Kirche am Platz namens Március 15-e tér, auf der Nordseite des Brückenkopfes der Elisabethbrücke im Stadtteil Pest, wahrt mit ihren beiden Türmen die Erinnerungen von beinahe zweitausend Jahren. Unter dem heutigen Platz erstrecken sich – abgesehen von den urzeitlichen Spuren – die ausgedehnten Erinnerungen an die römische Herrschaft, nämlich die Überreste eines rechteckigen Lagers mit einer Grundfläche von 86x84 Metern. An den Ecken des Lagers stand jeweils ein fächerförmiger Turm, die 3,4 Meter dicken Seitenmauern wurden von jeweils zwei U-förmigen Türmen geschützt. Die endgültige Form entstand um 350 n. Chr. und wurde nach dem Jahr 375 verwendet.

In der Nähe der Südwand dieses Lagers aus dem 4. Jahrhundert, anstelle des einstigen Kommandantengebäudes wurde die zum Teil auch heute noch sichtbare Kirche mit den beiden Türmen errichtet, die drei Schiffe aufweist und an der Ostseite durch drei halbkreisförmige Apsiden (Chöre) abgeschlossen wird. Zwar war die Forschung der Ansicht, diese Kirche stamme aus dem 12. Jahrhundert, aber heute ist es sicher, dass sie bereits zurzeit Stephan I. des Heiligen hier gestanden hatte. Die Ausgrabungen zu Beginn der 2000er Jahre legten auf dem Gebiet der heutigen Sakristei Gräber aus dem 11. Jahrhundert frei. Wir wissen, dass zur damaligen Zeit – und noch lange Zeit hindurch – Friedhöfe nur neben Kirchen, eventuell in den Kirchen selber angelegt werden durften. Die früheren Forscher hatten altchristliche Vorgeschehnisse vorausgesetzt, aber die neuesten Forschungen fanden keine Beweise hierfür. Es ist jedoch eine Überlegung wert, warum die Kirche aus der Arpadenzeit in der südöstlichen Ecke der damals noch bestehenden römischen Festung, an die Südmauer gedrückt errichtet worden war.

Der größeren Legende des Heiligen Gellért (Gerhard von Csanád) nach wurde sein Körper direkt nach dem Märtyrertod im Jahr 1046 in der Kirche in Pest, dem Vorläufer der heutigen Kirche bestattet. Schriftliche Daten belegen, dass König Andreas I., als er die Überreste des Heiligen Bischofs Gellért nach Csanád, seinem Bischofssitz überführte, das Kirchengebäude in Pest erweitern ließ, um für die dort verbliebenen Reliquien einen würdigen Platz zu schaffen.

Unter den Steinmetzarbeiten der Kirche findet sich ein in Bandform gemeißelter Rahmenstein aus dem 11. Jahrhundert, der im 13. Jahrhundert neu gemeißelt wurde.

In der Kirche aus gemeißeltem Stein mit ihren drei Schiffen, die später als Vorbild für die Kirche in Lébény (Leiden) und Ják (Jaak/St. Georgen) diente, fand im Jahr 1211 die Verlobung der damals 4-jährigen Königstochter, der späteren Heiligen Elisabeth von Thüringen mit dem thüringischen Landgrafen Hermann statt.

In der Baugeschichte unserer Kirche folgte eine neue Ära, als im Laufe des 14. Jahrhunderts die drei östlichen Apsiden des Gebäudes abgerissen und der bis heute vorhandene riesige Chor errichtet wurde. Der durch Säulen begrenzte mittlere liturgische Raum dieses Chors wird durch den sog. Chorumgang durchquert. In diesem korridorartigen Umgang hinter dem Chor befinden sich Nischen in den Mauern, und in der Mitte wird der Chor durch eine größere, mit Wandbildern verzierte Nische abgeschlossen. Die Nische wurde über dem Wandgemälde ursprünglich durch einen bemalten Steinbaldachin abgeschlossen. Zu dieser Zeit dürften auch das südliche Pilgertor in seiner ursprünglichen Form sowie der Südturm vor der beibehaltenen Südfassade aus der romanischen Zeit errichtet worden sein.

Der westliche Giebel dieses neuen Chors erstreckte sich über die Seitenschiffe der Basilika-artigen Kirche, die auch weiterhin in ihrer ursprünglichen Form stand.

Das Gebäude war der Schauplatz mehrerer bedeutender politischer Ereignisse. Am 23. Januar 1458 fand hier die Versammlung statt, bei der Matthias Corvinus (Hunyadi) zum König Ungarns bestimmt wurde. Er wurde am darauffolgenden Tag, also dem 24. Januar, auf dem zugefrorenen Eis der Donau vom Volk von Pest einstimmig zum König gewählt.

Im Jahr 1490 fand die Versammlung, die Vladislav II. zum König wählte, ebenfalls in der Kirche statt.

In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts – zurzeit von Matthias Corvinus und Vladislav II. – folgte ein weiterer, nunmehr spätgotischer Umbau. Daran erinnern das königliche Oratorium über der Südkapelle des Chorumgangs, der Eingang der Treppe zu diesem, die Portalrahmen der äußeren Fassade mit Stäben sowie das ursprünglich doppelstöckige Gebäude der Sakristei. Die Chornischen wurden mit einer Freskenreihe verziert. Die beiden Sakramentsnischen aus der Renaissance entstanden zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

Unsere Kirche funktionierte nach 1541, in der Türkenzeit, für kurze Zeit als Freitagsmoschee. Daran erinnern eine einfache Gebetsnische (sog. Mihrab) im Chor sowie die Reste einer mit Schwarz aufgemalten Aufschrift. Die Türken verwendeten nur den Chor selber, der Westteil der Kirche war ruinös.

Nach 1686 wurden – mit dem Ende der Türkenherrschaft – das Kirchenschiff und der Südturm im barocken Stil und in mehreren Schritten, unter Verwendung der erhalten gebliebenen gotischen Wandreste, errichtet. Der Nordturm der Hauptfassade entstand Ende des 17. Jahrhunderts.

Bedeutende Ereignisse der Kirche und der Pfarre im 19. Jahrhundert: Die Hochzeit von Lajos Kossuth mit Terézia Meszlényi fand – obwohl er selbst evangelischen Glaubens war – in dieser Pfarre statt.

Am 25. Mai 1856 hielt der Kölner Pfarrer Adolf Kolping einen Vortrag in der Kirche: Dies ist der Beginn seiner Bewegung in Ungarn.

Ferenc (Franz) Liszt fand zwischen 1858 und 1871 häufig Unterkunft im Pfarrgebäude neben der Kirche, wo er sieben Jahre hindurch auch wohnte. In unserer Kirche dirigierte er am häufigsten seine eigenen und die Werke anderer Komponisten.

Die Erschließung der archäologischen und künstlerischen Werte des Gebäudes begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Tätigkeit des ungarischen Archäologen Flóris Rómer. Im Jahr 1890 erschien das Buch von Lajos Némethy über die Geschichte der Kirche. 1889-90 wurde der Chor von Imre Steindl, Architekt des Parlamentsgebäudes, restauriert. Im Jahr 1895 stand anlässlich der Errichtung der Elisabethbrücke der Abriss oder die Verschiebung der Kirche an der Tagesordnung. Der Plan wurde zum Glück – auch wenn er bis zum Jahr 1937 herumspukte – schließlich nicht Wirklichkeit, und das Denkmalgebäude verblieb an seinem ursprünglichen Platz.

Im Anschluss an die Ausgrabungs- und Erforschungsarbeiten in den Jahren 1932-44 sowie nach den Kriegsschäden des Jahres 1944-45 wurden zwischen 1945-48 zunächst der Chor, dann in mehreren Schritten auch das Schiff und die Türme wieder hergestellt.

Im Jahr 2010 wurde die Freskoverzierung des östlichen Abschlusses des Chors erschlossen und wieder hergestellt. Im Jahr 2014-15 klärte eine weitere Ausgrabung die unter dem Fußboden befindlichen Überreste aus der Römerzeit und dem Mittelalter. In der Folge konnte im Jahr 2016 – als Fortsetzung der bereits früher durchgeführten Renovierung der äußeren Fassade – auch der Innenraum wieder hergestellt werden. Unter dem Fußboden wurde eine Unterkirche herausgebildet, die die Ergebnisse der Ausgrabungen präsentiert.